Heinrichs Geheimnis by Jo Pestum

Heinrichs Geheimnis by Jo Pestum

Autor:Jo Pestum
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carlsen Verlag, Hamburg
veröffentlicht: 2013-10-10T04:00:00+00:00


DAS RÄTSEL DES ROTEN HAUSES

Am nächsten Tag bildeten wir wieder Gruppen für die Tunneldurchquerung, wie wir das inzwischen nannten. Jetzt mischten sich nach der fünften und sechsten Stunde auch Lehrerinnen und Lehrer unter die Schülergruppen. King Charly und seine Wegelagerer waren sehr zahm geworden nach dem Riesendonnerwetter, das der Direktor veranstaltet hatte. Eltern waren benachrichtigt worden, mit Schulverweisen hatte man gedroht, Anzeigen waren erstattet worden. Scheinbar war Ruhe eingekehrt.

Scheinbar! Ich ließ mich nicht täuschen. Man brauchte ja nur auf die Blicke zu achten, mit denen Göhrke und die anderen uns maßen. Wartet nur, sagten diese Blicke, wir haben Zeit, aber der Tag der Abrechnung kommt! Mir war auch aufgefallen, dass Charlys Gang Zuwachs bekommen hatte. Ich glaube, die schrecklichen Miezen hatten ein paar Typen aus der Zehnten angelockt.

An diesem Mittag redeten wir auf dem Heimweg darüber. Wir waren uns einig, dass es im Grunde nur einen absolut wirksamen Schutz vor der Mafia gab: Wir mussten Mitglieder bei den Fröschen werden.

»Bei den Fröschen?« Heinrich tippte sich an die Stirn. »Spinnt ihr?«

Wir spannen nicht. Heinrich konnte nicht wissen, wovon wir redeten, denn er war ja noch ziemlich neu in unserer Stadt. Die Frösche spielten bei uns gewissermaßen die erste Geige.

Uwe erklärte es dem Heinrich. »Die Frösche haben in unserem Stadtviertel das Sagen. Kapierst du? Ganz toller Verein! Und die größeren Frösche fahren alle schwere Motorräder. Wer dazugehört, darf sich ’nen Frosch auf die Jacke kleben. Mit den Fröschen legt sich so leicht keiner an. Junge, wer die am Hals hat!«

»Und wer einen Frosch beleidigt, beleidigt alle Frösche«, ergänzte Schmackes. »Begreifst du jetzt unsere Taktik?«

»Aber der Catcher Göhrke, der hat doch auch so einen Frosch an seiner Lederjacke!«, rief Heinrich aus. »Das hab ich doch genau gesehen!«

Uwe legte dem Heinrich die Hand auf den Arm. »Das ist doch gerade der Witz. Bei den Fröschen gibt es nämlich das Gesetz, dass ein Frosch dem anderen nichts antun darf. Und wenn wir selber Frösche wären, dann …«

Mit heftigem Ruck stieß Heinrich Uwes Hand von seinem Arm. »Bist du bekloppt?« Dass der gelassene Apache sich so aufregen konnte! »Echt, du bist bekloppt. Ihr seid alle bekloppt. Wollt ihr wirklich Mitglieder von so einem Klub werden, wo’s solche Feiglinge wie den Göhrke gibt? Ihr tickt doch nicht richtig!« Heinrich starrte uns der Reihe nach verständnislos an. Zum Schluss blieb sein Blick an mir hängen.

Ich schluckte heftig und wusste nichts zu sagen.

Zum Glück antwortete Schmackes dann. »Du musst das so sehen«, sagte er und schniefte verlegen, »also, in so einem großen Verein, da gibt’s eben Flaschen und prima Kerle. Die meisten sind jedenfalls prima, das kannst du mir glauben.«

Heinrich knurrte verächtlich: »Wenn ich mal in einen Klub eintreten sollte, dann ist das einer, in dem es keine einzige Flasche gibt, sondern nur prima Leute. Klubs mit Flaschen kann ich nicht ausstehen. Außerdem ist der Göhrke nicht nur ’ne Flasche. Der ist vor allem ein brutaler Feigling. Und wenn ich es mir genau überlege: Klubs und Vereine und solche Massenaufläufe, die mag ich nicht leiden. Ich will immer tun, was ich will.



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